Hamburg: Zahl der gewaltorientierten Islamisten steigt

Stand: 08:13 Uhr Der Slogan „Kalifat ist die Lösung“ wird von der islamistischen Gruppe „Muslim Interaktiv“ bei jeder Kundgebung gerufen. Strafbar ist das nicht Der Slogan „Kalifat ist die Lösung“ wird von der islamistischen Gruppe „Muslim Interaktiv“ bei jeder Kundgebung gerufen Quelle: dpa Am Wochenende löste eine Demonstration von Islamisten in Hamburg weit über die Stadtgrenzen hinaus Empörung aus. Auch das Potenzial gewaltorientierter Islamisten ist hoch – und es wächst. Eine Rechtsexpertin sieht eine Strafverfolgung in vielen Fällen skeptisch. Anzeige Anzeige

Die Zahl der von den Behörden als gewaltorientiert eingestuften Islamisten in Hamburg steigt. „Mit Stand Ende 2023 werden 1520 Personen als gewaltorientiert eingestuft“, heißt es in der Senatsantwort auf eine sogenannte Schriftliche Kleine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft. Im letzten Verfassungsschutzbericht waren für 2022 noch 1450 gelistet – entsprechend gibt es nun ein Plus von knapp fünf Prozent.

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Seit 2019 nahm die Zahl der gewaltorientierten Islamisten in der Hansestadt sogar um gut 13 Prozent zu. Damals waren 1345 Islamisten vom Verfassungsschutz entsprechend eingestuft worden.

Aktuell werden laut Senatsantwort im Bereich „religiöse Ideologien“ 19 Personen in Hamburg als Gefährder geführt – also als Menschen, denen die Polizei schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut. „Zehn der 19 Gefährder befinden sich derzeit entweder im In- oder im Ausland in Haft“, heißt es in der Antwort. Weitere vier halten sich demnach im Ausland auf. Das islamistische Gesamtpotenzial in der Stadt gab der Senat mit 1840 Personen an. Im Verfassungsschutzbericht 2022 lag diese Zahl noch bei 1755 Personen.

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Cansu Özdemir, innenpolitische Sprecherin und Co-Fraktionsvorsitzende der Linken, nannte die steigende Zahl gewaltorientierter Islamisten mehr als besorgniserregend. „Selbst wenn der Verfassungsschutz inzwischen genauer hinsieht und es dadurch auch zu höheren Zahlen kommt, müssen wir doch von einem realen Zulauf im Bereich Islamismus ausgehen“, sagte sie. „Das bedeutet auch, dass das 2014 vorgestellte und 2016 angepasste Senatskonzept „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und religiösen Extremismus ergreifen“ total versagt hat und grundlegend überarbeitet werden muss“, so die Einschätzung von Özdemir.

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Erneut forderte sie auch ein Verbot der vom Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuften Gruppe Muslim Interaktiv, die hinter einer Demonstration von Islamisten am vergangenen Samstag in St. Georg stand und damit über die Landesgrenzen hinaus für Empörung gesorgt hatte.

Kalifat-Slogan nicht rechtswidrig

Wie schwer es sein wird, den Teilnehmern Straftaten nachzuweisen – Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel hatte eine entsprechende Aufarbeitung der Kundgebung angekündigt – beschreibt die Rechtsexpertin Marion Alber von der Universität Hamburg. Die Bewertung der gezeigten Parolen und Transparente bringe gleich mehrere Probleme mit sich, sagte die Professorin für Öffentliches Recht, Informations- und Kommunikationsrecht. So sei beispielsweise der Slogan „Kalifat ist die Lösung“ – wie er bei der Demo auf Plakaten zu lesen gewesen sei – nicht per se rechtswidrig.

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„Sie müssen den Sinn einer Äußerung ermitteln, Sie müssen sie deuten. Und das Problem ist, dass die Äußerungen oft vielschichtig und vieldeutig sind“, erklärte Albers. Auch der Kontext müsse bewertet werden. Konkrete Straftatbestände würden jedoch von Teilnehmern extremistischer Veranstaltungen oft bewusst vermieden. „Die sind natürlich auch geschult, verwenden Codes und doppeldeutige Formulierungen.“

Der Polizei fehlen Kompetenzen

Bei der Einschätzung von Äußerungen während einer Versammlung komme erschwerend hinzu, dass sprachliche Kompetenzen, etwa in den arabischen Sprachen, bei der Polizei fehlten. „Das ist ein Personalproblem und da müsste die Polizei dafür sorgen, dass so eine Kompetenz in Zukunft stärker vorhanden ist.“ Der Fokus auf Sprachen und interkulturelle Kompetenz sei bei der Polizei – nicht nur in Hamburg – über Jahre zu sehr vernachlässigt worden. Mittlerweile seien die Polizeihochschulen dabei, in dem Bereich nachzuarbeiten. Nach Angaben der Hamburger Polizei waren bei der Kundgebung am vergangenen Wochenende entsprechend geschulte Kräfte im Einsatz.

Der Gesamteindruck wird nicht gewürdigt

Ein grundsätzliches Problem bei extremistischen Versammlungen ist nach Einschätzung der Expertin, dass die rechtliche Steuerung punktuell bei einzelnen Menschen oder Ereignissen ansetze. „Man schaut, begeht da eine einzelne Person eine Straftat? Ist da irgendwo ein strafrechtlich relevanter Schriftzug in der Demonstration? Aber das, was wir jetzt in den Debatten auch als unschön oder als bedrohlich empfinden, ist auf einer implizit symbolischen Ebene. Das ist der Gesamteindruck, den die Versammlung macht“, erläuterte Albers. Es gebe verhältnismäßig wenig Rechtsnormen, die auch diese Symbolik erfassen könnten.

Neben staatlichen Maßnahmen seien Gegenreaktionen der Zivilgesellschaft entscheidend, sagte Albers. Diese seien oft besser geeignet, einer bedrohlichen Symbolik zu begegnen. „Das wird den harten Kern nicht beeindrucken, aber möglicherweise Leute, die sich eher am Rand der Peer Group bewegen und sehen, dass es Alternativen zu dieser Szene gibt.“

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