Drogen: Kokain, Cannabis, Ketamin – in Hamburg bleibt kein Drogenkonsum mehr geheim

Stand: 08:57 Uhr julia_witte Managing Editor Hamburg Ulrich Noetzel, Vorarbeiter in der Prozessmeisterei Abwasser, nimmt eine Wasserprobe am Klärwerk Köhlbrandhöft in Hamburg Quelle: Bertold Fabricius Hamburg hat sein Abwassermonitoring erweitert. Seit Ende April wird am Klärwerk nach Drogenrückständen gesucht. Die ersten Ergebnisse werden mit Spannung erwartet. Und mit den Abwasseruntersuchungen werden den Hamburgern noch mehr Geheimnisse entlockt. Anzeige Anzeige

Ulrich Noetzel taucht den Probenehmer tief ein. Der Vorarbeiter am Klärwerk Köhlbrandhöft holt mithilfe einer langen Metallstange einen Becher ungeklärtes Abwasser aus der etwa drei Meter tiefen Grube am Einlauf des Klärwerks. Die Probe ist zwar von Sand und grobem Schmutz befreit, enthält aber sonst all das, was in Hamburgs Toiletten, Abflüssen und Gullis landet.

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Anschließend gießt Noetzel das unangenehm riechende Wasser in einen kleinen Plastikkanister. Von dort geht es ins Labor auf dem Klärwerksgelände, wo das Wasser auf rund 80 Parameter, wie das Vorkommen giftiger Schwermetalle, untersucht wird. Mehrmals in der Woche werden auf dem Klärwerksgelände Abwasserproben genommen – üblicherweise allerdings nicht von Hand, sondern mithilfe einer speziellen Abfüllanlage, die das Abwasser mehrerer Stunden sammelt und mischt, um repräsentative Proben zu ermöglichen.

Regelmäßig wird das so gewonnene Abwasser auch in das Institut für Hygiene und Umwelt weitergeleitet. Dort suchen die Wissenschaftler seit der Corona-Pandemie nach Virenrückständen – und neuerdings auch nach Drogen und deren Abbauprodukten. Ende April wurden das erste Mal Proben für einen neuen Abwassermonitor Drogenkonsum genommen. Mit Analyseergebnissen wird in den kommenden Wochen gerechnet.

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Im März hatten die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen beschlossen, das Abwasser auf Drogenrückstände untersuchen zu lassen. Denn Abwasser produziert jeder Hamburger. Ob er seinen Drogenkonsum geheim hält oder nicht, er gibt über die Toilette eine Urinprobe ab. Der Anstieg vom Gebrauch bestimmter Drogen lässt sich so deutlich schneller und genauer erkennen als an Drogentoten oder an der Zahl der Betroffenen, die Hilfe in einer Drogenberatungsstelle suchen. Dementsprechend, so der Ansatz von Rot-Grün, ließen sich Präventionsmaßnahmen besser koordinieren als ohne die Hinweise aus dem Abwasser.

Hauptstadt des Kokains

Zwei Mal hat Hamburg in den Jahren 2017 und 2020 an einer internationalen Vergleichsstudie teilgenommen. Damals stellte sich etwa heraus, dass der Konsum der jeweils untersuchten Drogen im drei Jahresvergleich gestiegen war und dass Hamburg unter den deutschen Städten in der Studie im Jahr 2020 die Stadt mit dem höchsten Anteil an Kokaingebrauch war. 2017 hatte die Hansestadt hinter Frankfurt und Dortmund noch auf Platz 3 gelegen. Auch der Gebrauch von Methamphetamin (Chrystal Meth, Ice) stieg von 2017 auf 2020, allerdings spielte die Droge – anders als in mehreren ostdeutschen Großstädten – in Hamburg insgesamt kaum eine Rolle.

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Die jetzt genommenen Proben werden vom Institut für Hygiene und Umwelt auf Kokain und Crack beziehungsweise deren Abbauprodukte untersucht, sowie auf Cannabis, Heroin, Ecstasy, Amphetamine, Ketamin und deren Metaboliten. Nach einem Trenn- und Anreicherungsverfahren bestimmt ein Massenspektrometer die Menge der Drogen und deren Rückstände im Abwasser. Gemessen werden Konzentrationen im Bereich weniger Nanogramm pro Liter.

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„In Europa und weltweit haben bereits viele Städte ein derartiges Abwassermonitoring eingeführt“, sagt Claudia Loss, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Es sei gut, dass auch Hamburg diesen Schritt nun gehe. „Die Messungen bringen ein Stück mehr Empirie in die Diskussion um den Drogenkonsum.“ Beispielsweise ließen sich so die Auswirkungen der gerade erfolgten Cannabisfreigabe besser beobachten.

Gudrun Winkler aus dem Qualitäts- und Energiemanagement bei Hamburg Wasser Quelle: Bertold Fabricius

Auf die Hamburger, die drogenfrei leben, haben die Drogen im Abwasser übrigens keine Auswirkungen. Nach den umfangreichen Reinigungsprozessen im Klärwerk wird Abwasser in Hamburg in die Elbe geleitet. Das Trinkwasser gewinnt Hamburg Wasser allerdings aus tiefen Grundwasservorkommen und nicht aus der Elbe. Selbst auf die Fische und Pflanzen im Fluss haben die Einträge von Drogen und ihren Metaboliten nach aktuellem Stand der Forschung keinen Einfluss. „Dafür sind die Konzentrationen, von denen man ausgeht, zu gering. Im Klärwerk werden die meisten Stoffe gut abgebaut und sind in der Elbe nicht mehr messbar“, erklärt Gudrun Winkler, Abwasserexpertin aus dem Qualitätsmanagement bei Hamburg Wasser. Sorgen machen der promovierten Ingenieurin für Wasserwirtschaft da ganz andere Stoffe.

Ewigkeitschemikalien sind großes Problem

Ganz oben auf ihrer Liste stehen per- und polyfluorierte Substanzen (PFAS). Die Chemikalien können fett-, wasser- und schmutzabweisend sein und kommen in Tausenden Varianten vor, zum Beispiel in Funktionskleidung, in Kosmetika und als Feuerlöschmittel. Das Problem: Sie werden nicht natürlich abgebaut. „Sie sind daher bereits omnipräsent in unseren Gewässern“, sagt Winkler. Das Bewusstsein dafür, dass die Stoffe ein Problem für die Umwelt sind, ist nicht neu. So wird es mit einer Neufassung zur kommunalen Abwasserrichtlinie zu einem verpflichtenden Monitoring der Stoffe kommen. Einen entsprechenden Beschluss hat die EU Mitte April gefasst. Deutschland hat sich darüber hinaus auf EU-Ebene für eine Beschränkung des Einsatzes von PFAS eingesetzt.

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Zu den Stoffen, die Winkler, aber auch Naturschützern beunruhigen, gehören viel genutzte Arzneimittel. Ein besonders häufig vorkommender Stoff ist der Schmerzstiller Diclofenac. Diesen findet Hamburg Wasser in signifikant hoher Konzentration im Abwasser. Auch in der Elbe sowie in Fischen reichert er sich immer weiter an. Durch eine getrennte Analyse von Schwarzwasser (Toilettenabwasser) und Grauwasser (Wasser aus Hausabflüssen) wisse man, dass der Großteil des Diclofenac nicht aus eingenommenen Tabletten stamme, erklärt Winkler, sondern aus abgewaschenen – vom Körper nicht verwerteten – Salben stammen müsse. Denn: Diclofenac kommt in großen Mengen im Dusch- und weniger im Toilettenabwasser vor.

Auch für solche Verunreinigungen könnte es durch die neue EU-Entscheidung möglicherweise bald eine Lösung geben. Zusätzlich zur verpflichtenden Einführung einer weiteren Reinigungsstufe, mit der bisher nicht behandelte Stoffe aus dem Abwasser entfernt werden müssen, soll eine Regelung in Kraft treten, die die Hersteller von Arzneimitteln und von Kosmetika an den Kosten für die Abwasserreinigung beteiligt – wenn ihre Stoffe als umweltschädigend gelten.

„Das wäre erstmals ein Anreiz für die Hersteller sich auch über die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte Gedanken zu machen“, sagt Winkler. Dabei ginge es ausdrücklich nicht darum, dass bestimmte Arzneimittel nicht mehr verfügbar sein sollten. Anders als bisher sollten aber auch die Hersteller und nicht nur die Verbraucher an den Kosten für die Beseitigung der Rückstände beteiligt werden.

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