Is­la­mi­sches Zentrum Hamburg: „Das gehört nicht in einen deutschen Gerichtssaal“

Stand: 18:05 Uhr Philipp Woldin Managing Editor Hamburg Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) wird von der Imam-Ali-Moschee Hamburg getragen. Es befindet sich an der Außenalster. Quelle: Bertold Fabricius Seit 30 Jahren steht das Islamische Zentrum Hamburg im Verfassungsschutzbericht, nun wehrt sich der Verein juristisch. Vor Gericht wird um Belege und Behauptungen gerungen – und das Publikum mischt sich ein. Anzeige Anzeige

In einer der Verhandlungspausen entlädt sich die Spannung „Sie sollten sich schämen, Terroristen zu verteidigen“, schreit ein Zuschauer den Anwalt des Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), Sven Krüger, an. Das iranische Regime habe mehrere seiner Familienmitglieder ermordet, sagt der Mann erregt, das IZH sei aus Teheran gesteuert und „ein Terrorloch“. Der Vorsitzende Richter bittet – zurück am Platz, die Verhandlung läuft wieder – um Mäßigung und kommentiert die Zwischenrufe mit: „Das gehört nicht in einen deutschen Gerichtssaal.“

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Und doch wird in einem deutschen Gerichtssaal, genauer gesagt im Verwaltungsgericht Hamburg, entschieden, wie ein deutscher Geheimdienst in Zukunft mit einem seiner Beobachtungsobjekte umzugehen hat. Das IZH, Trägerverein der repräsentativen Blauen Moschee an der Alster, will sich vom Verfassungsschutz nicht länger extremistisch nennen lassen. Der Geheimdienst und die Moschee liegen seit über 30 Jahren im Clinch, seit das Zentrum im ersten gedruckten und öffentlich zugänglichen Verfassungsschutzbericht auftauchte.

Das Hamburger Landesamt sieht das IZH als Außenposten der iranischen Mullah-Regierung in Europa, hier seien „iranische Islamisten“ am Werk. Das IZH sieht sich diffamiert und behauptet, lediglich eine rein religiöse Einrichtung zu sein, die sich um die Glaubensangelegenheiten der schiitischen Muslime kümmere.

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Bestätigt das Gericht die bisherige Einstufung, könnte die Schließung des IZH näherrücken. Sinnbildlich fehle „nur noch die Unterschrift“ von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unter der Verbotsverfügung, erfuhr WELT kürzlich aus Regierungskreisen.

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Konkret gehe es um acht Einzelaussagen zum IZH im Verfassungsschutzbericht 2018 und 2019 sowie die Einordnung des IZH als „Gruppierung/Organisation des Islamismus“, dabei besonders um das Verhältnis des IZH zum iranischen Staat und um die Person des Leiters des IZH, Mohammad Hadi Mofatteh.

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Die bisherigen mündlichen Verhandlungstage gleichen einem zähen Ringen zwischen Vertretern des Verfassungsschutzes und dem Anwalt des IZH. Der Verfassungsschutz versucht nachzuweisen, wie eng das iranische Regime und die vermeintlich rein religiöse Einrichtung IZH miteinander verwoben sind – und muss ab und an Belege schuldig bleiben. Es sind die Besonderheiten eines Verfahrens mit Geheimdienstbeteiligung. „Wir verfügen zwar über Informationen, können sie aber hier nicht präsentieren.“ Dieser Satz fällt öfter. Ein anderer: „Wir haben uns das nicht ausgedacht, können es aber nicht öffentlichen Quellen beweisen.“

„Meinungen kaschiert als Tatsachenbehauptung“

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Dies nutzt Anwalt Sven Krüger, Klagevertreter des IZH, immer wieder geschickt, um auf Löcher in der Argumentation hinzuweisen. Waren es nun zehn Anhänger des Hisbollah, die zum Beten in die Blaue Moschee gekommen sind, 20 oder 30 – und wie wurde das überhaupt erhoben? „Sie behaupten einfach Dinge, geben Meinungen kaschiert als Tatsachenbehauptung wieder“, hält Krüger der Gegenseite vor.

Das Verfahren verliert sich des Öfteren im sprachlichen Dickicht. Interessant wird es, als es um ein Dokument geht, das für das Gericht von „entscheidender Bedeutung“ ist. Ausgerechnet der Leiter der Moschee Mohammad Hadi Mofatteh selbst soll den Verfassungsschützern Indizien für die Steuerung durch Teheran geliefert haben. Bei einer Rückreise aus dem Iran durchsuchten Zollbeamte sein Gepäck und fanden Briefe, die dann beim Verfassungsschutz landeten und dort übersetzt wurden.

Der schiitische Geistliche Mohammad Hadi Mofatteh (r), neuer Leiter des Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) Quelle: pa/dpa/Christian Charisius

Die Briefe waren an Moffateh persönlich gerichtet, in einem wird er als „Vertreter des Obersten Führers“ (Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei) angesprochen. Durch diesen und weitere Briefe sieht sich der Dienst bestätigt, dass der Leiter weisungsabhängig ist. IZH-Anwalt Sven Krüger wiederum beklagt, dass die Schreiben nur lückenhaft an das Gericht gingen, es fehlten diverse Seiten.

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Auch um die ideologische Verankerung von Moffateh wird gerungen. Ein Vertreter des Verfassungsschutzes verliest ein Schreiben des Bundesnachrichtendienstes (BND): „Dem BND liegen glaubhafte nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor, nach denen Mohammad Hadi Mofatteh 1991 als Offizier im Korps der Revolutionswächter gedient hat.“ Revolutionswächter sind im Iran so etwas wie ein mächtiger Staat im Staate, elitär, ideologisch, regimetreu.

Was genau Mofatteh bei den Revolutionsgarden genau getan haben soll, darüber entbrennt Streit. Der Verteidiger betont, Mofatteh habe im Bergbauministerium gearbeitet, in Rede steht auch ein Kriegseinsatz, klare Quellen kann keine Seite vorlegen.

Das Gericht verhandelt über eine Klage des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) gegen seine extremistische Einstufung durch das Landesamt für Verfassungsschutz der Stadt Quelle: dpa/Daniel Bockwoldt

Zwischenzeitlich hatten sich die Parteien bereits darauf verständigt, die Klage gegen den Verfassungsschutzbericht von 2018 für erledigt zu erklären, da dieser aus datenschutzrechtlichen Gründen vom Verfassungsschutz gar nicht mehr öffentlich gemacht wird. Auch mit einer Klage der Islamischen Akademie Deutschland, die ebenfalls in dem 2018er-Bericht als extremistisch benannt ist, sollte so verfahren werden.

Da sich die Vertreter der Behörde aber weigerten, dazu „eine rechtsverbindliche Unterlassungserklärung in Form eines Unterlassungsvertrages“ abzugeben, könne er keine Erledigung erklären, sagte Anwalt Krüger, der beide Organisationen vertritt.

Die mündliche Verhandlung endete am Mittwoch, nun können beide Parteien sich noch schriftlich austauschen. Mit einer Entscheidung des Gerichts ist frühestens in drei Wochen zu rechnen (Aktenzeichen 17 K 5081/20 und 17 K 2179/21).

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